Jan Hesselbarth - Der 02. April ist seit dem Jahr 2010 für mich ein wirklich emotionaler und beladener Tag. Alljährlich schwappen Emotionen und Gedanken über und ich werde in eine Zeit zurück versetzt, in der wir als Armee in Afghanistan waren und bestehen mussten. Das Karfreitagsgefecht hat sich tief in meine Gedanken eingebrannt. Ich war nicht vor Ort - dennoch bin ich mit den Gefallenen eng verbunden gewesen, kenne sehr viele, die vor Ort waren, bin mit deren Geschichten verbunden. Damals waren wir eine wehrhafte kleine Gruppe, die in einem internationalen aber dennoch regionalen Konflikt kämpften.
Nun sind 14 Jahre vergangen, seitdem dieser eine Tag das Leben so vieler Menschen, die ich kenne, erschüttert hat. Seitdem ist viel passiert. Damals hatte ich die Überzeugung, dass wir mit unserem Einsatz am Hindukusch tatsächlich für ein mehr an Frieden und Freiheit in der Welt kämpften. Als dann im Jahr 2021 der sehr schnelle Abzug aus Afghanistan kam, war schnell klar, dass Afghanistan wieder so sein wird wie zuvor - nur digitalisierter und mit mehr westlicher Waffentechnik und Ausrüstung.
Ich war zu der Zeit umgeben von Menschen, die verstanden haben, dass Freiheit und Individualismus wirklich tolle Grundvoraussetzungen für Entfaltung sind. Wir hatten verstanden, dass man dafür etwas tun muss, dass wir um unsere Freiheit kämpfen müssen. Uns war klar, dass der Wohlstand auch darauf beruht, dass es Menschen wie uns gibt. Damals waren wir jedoch breitflächig noch alleine.
Heute sieht die Welt anders aus. Sie ist komplizierter geworden. Hat viel mehr Gesichter bekommen als wir uns denken konnten. Sie ist schneller und wandelbarer geworden. Und sie ist massiv unsicher geworden.
Was ist geblieben, von der Sichtweise, dass Freiheit nicht einfach so passiert?
Wir haben gerade wieder Ostern gefeiert. Der 02. April 2024 ist heute. Man könnte meinen, dass die Bevölkerung in Europa anders denkt, seitdem Russland in 2014 die Krim annektierte, nachdem 2022 die vollständige Invasion in der Ukraine begann, nachdem im Oktober 2023 die Hamas Israel überfiel. Man könnte meinen, dass unsere Demokratie, unsere Bevölkerung verstanden hat, dass wir kollektiv etwas dafür tun müssen. Man könnte es meinen...
Ich bin unterdessen im Heimatschutz aktiver geworden, ich engagiere mich in einer Heimatschutzkompanie. Bei uns steigen die Zahlen der Bewerber monatlich. Vielen wird klar, dass es so nicht einfach weiter gehen kann. Viele sagen, dass es eine Veränderung braucht - dass Sie sich für die Gesellschaft und deren Schutz einbringen wollen. Wir nehmen wahr, dass die Bundeswehr sich grundlegend verändert. Der Fokus kommt zurück - wir definieren wieder, dass wir Gegner haben, die nicht diffus in der Zivilbevölkerung verschwinden. Es wir deutlicher, dass der deutsche Sicherheitsapparat sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausrichtet.
Die Menschen, mit denen ich spreche, sind es leid, etwas vorgemacht zu bekommen. Menschen haben ein nahezu seismologisches Gespür dafür, wenn sie nicht alle gesagt bekommen. Und mir wird immer wieder die Frage gestellt: Was steckt dahinter? Weißt du mehr? Sagt die Regierung uns alles?
Gute Frage. Ich nehme selbst wahr, dass die Politik sehr vorsichtig agiert - immer mit einem Auge auf die nächsten Wahlen schielend. Dabei braucht es jetzt noch viel mehr als 2010 eine wehrhafte Demokratie. Das bedingt insbesondere auch den Willen der Politik voran zu gehen und zu gestalten - nicht zu verwalten.
Heute umso mehr brauchen wir eine Gesellschaft, die sich bewusst ist, das Freiheit mit Kosten verbunden ist. Wir brauchen eine Gesellschaft, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung wirklich zu verteidigen bereit ist - mit Worten, mit Engagement und auch mit einem klaren Blick. wir brauchen heute so dringend ein wachsames, demokratisches Auge auf die radikalen Ausreißer in der Politik. Wir müssen meiner Meinung nach dem Expanisionsdrang Russlands unter Putin etwas entgegensetzen aber auch die imperialistischen Bestrebungen Chinas unter Xi-Jingping beachten. Wir müssen als Europa mehr zusammen rücken, gemeinschaftlich handeln, unsere Wohlstandsblase verlassen und uns für ein starkes, gemeinschaftliches und aktives Europa einsetzen.
Dafür braucht es Menschen, die aktiv werden und unsere Demokratie verteidigen. Mit all ihren Makeln, all ihren Stärken aber insbesondere mit den positiven Aspekten, von denen wir alle profitieren.
Das ist meine ganz persönliche Lehre aus dem 02. April 2010. 14 Jahre nach diesem Tag ist mir das klar. Und ich glaube, in Nils, Robert und Martin hätte ich dabei durchaus Verbündete gehabt. Denn Sie sind für ähnliche Werte damals nach Afghanistan gegangen und haben Ihren Teil dazu beigetragen, dass wir hier in Ruhe und Prosperität leben können. Mögen Sie in Frieden ruhen.
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