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  • AutorenbildJan Hesselbarth

No-Covid-Strategie als Bewältigungsmechanismus der Corona-Pandemie?

Aktualisiert: 9. Aug. 2023

Die weltweite CORONA-Pandemie stellt offene Gesellschaften zunehmen vor Herausforderungen. In den unterschiedlichen Nationen wurden durch die jeweiligen Regierungen unterschiedlichste Strategien entwickelt und entlang der kulturellen und gesellschaftlichen Eigenarten durchgesetzt (Habich, 2021). Dabei stach zumindest eine No-Covid Strategie weltweit hervor und wurde kritisch betrachtet (Habich, 2021). Staaten wie Australien, Neuseeland, Taiwan und China setzten in der Vergangenheit auf diese Strategie, die mit harten Maßnahmen gegen eine weitere Verbreitung des Virus vorgeht. Das Wesen der No-Covid Strategien in den unterschiedlichsten Ländern sind klare und harte Maßnahmen ohne Ausnahmen für gesellschaftliche Teilbereiche, welche sich an klaren Faktoren bemessen (Weerth, 2022, Abschn. 1). Dadurch soll ein dauerhafter „Stotter-Lockdown“ (Habich, 2021) verhindert werden.

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Parallel zu der derzeitigen Pandemie muss allerdings auch eine gewisse Resilienz in den offenen und verletzlichen Gesellschaften des Westens sichergestellt werden. Dabei gilt es vor allem, kritische Infrastruktur in Betrieb zu halten und gesellschaftliche Teilbereiche dennoch still zu legen, um eine umfassende Durchseuchung nicht kulminieren zu lassen sondern zu strecken (Liang, 2022). Eine mögliche Betrachtungsweise dieser sogenannten Resilienz sind die 7 baseline requirments der NATO (Roepke & Thankey, 2019, Abschn. 4). Diese sollen als aktive Grundlage für resiliente Gesellschaften gelten und einen Anhalt für Handlungsfelder des politisch-militärischen Bündnisses liefern (NATO, 2021a, Abschn. 2).


Die pandemische Ausgangslage

Seitdem Ende Dezember 2019 in WUHAN/China der Ausbruch einer bislang unbekannten Lungenentzündung festgestellt wurde entwickelte sich die COVID19-Pandemie in bisher 3 Wellen weltweit (Schilling et al., 2021). Seitdem sind weltweit 298.915.721 bestätigte Fälle und weltweit 5.469.303 Tote gezählt (WHO, 2022). Der erste Fall in Deutschland wurde am 27.01.2020 festgestellt. Für Deutschland wurden bisher 7.535.691 Fälle bestätigt und 114.029 Tote gemeldet (RKI, 2022).


Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die anfänglich noch als COVID19-Epidemie in China geltende Ausbreitung zur weltweiten Pandemie (WHO, 2020). Das in Deutschland wissenschaftliche zuständige Robert-Koch Institut definiert eine Pandemie als eine weltweite Epidemie (RKI, 2009). Darüber hinaus weist die Weltgesundheitsorganisation darauf hin, dass auch ein pandemisches Virus, das bei gesunden Menschen überwiegend vergleichsweise milde Symptome verursacht, durch die hohe Zahl von Erkrankten in einem begrenzten Zeitraum die Gesundheitssysteme eines Staates überlasten könne, insbesondere in Entwicklungsländern ("Assessing the severity of an influenza pandemic" vom 11.5.2009)“ (RKI, 2009).


Neben den Auswirkungen in der Bevölkerung und der Wirtschaft hatte die Pandemie auch eine Auswirkung auf die Smog-Belastung in diversen Regionen, auf die Flora und Fauna und durchaus auch auf das Denken und Handeln etlicher Menschen (Stoll, 2020).


Weltweit bestritten die Regierungen der unterschiedlichen Nationen vorerst einen eigenen, nationalen und vor allem individuellen Weg. Dabei standen die Bekämpfungsstrategien der unterschiedlichen Länder auch immer in der Kritik. China, als Ursprungsland der Pandemie, ging bei der Bekämpfung nach einem rigorosen No-Covid Regime vor (Liang, 2022).


Betrachtet man nun die Strategie der Deutschen Regierung im Umgang mit Covid-19 – die sogenannte ControlCovid-Strategie – so sieht man gespiegelt auf die Erfahrungen der 3. und der jetzigen 4. Welle, dass die Deutsche Regierung eine Gradwanderung zwischen gesellschaftlichen Einschränkungen, Erhaltung der Wirtschaftskraft und Aufrechterhaltung staatlicher Handlungsfähigkeit versucht (RKI, 2021b). Dabei steht vor allem die Omikron-Variante mit seinem hoch-viralen Verbreitungsmechanismus im Vordergrund.


Die sozialen Auswirkungen haben zuletzt etliche Forschende in den Fokus ihrer wissenschaftlichen Forschung gerückt. So sind vor allem die Auswirkungen auf Privathaushalte (Bonin et al., 2021) und die Auswirkungen auf soziale Lebenslagen, soziale Ungleichheit und die Auswirkungen auf Erwerbstätige (Hövermann, 2020) umfangreich aufgegriffen worden. Nicht zuletzt kann die Covid-19 Pandemie auch aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse als soziologische Krise bezeichnet werden.


Einen Ausweg aus dieser Lage suchte man seit Beginn der Pandemie in Deutschland vor allem im Zusammenwirken aller staatlichen Akteure. Dabei bekam zum Beispiel die Amtshilfe der Bundeswehr eine tragende Bedeutung. Amtshilfe bezeichnet ein Ersuchen einer Behörde (auch Amtshilfeersuchen), an eine andere Behörde. Sie gilt als justizbehördliche Unterstützungshandlung und wird auch mit dem Begriff Rechtshilfe bezeichnet. Amtshilfe basiert in Deutschland auf dem Grundgesetz, hier insbesondere auf dem Artikel 35 Absatz 1-3, der alle Behörden verpflichtet, sich gegenseitig im Rahmen der Rechts- oder Amtshilfe zu unterstützen. Insbesondere zur Covid-19 Pandemie hat z.B. die Bundeswehr vermehrt Amtshilfe geleistet (JuraForum, 2022). So wurden mit Stand November 2021 ca. 8.500 Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr gerichtet (Amtshilfe in der Corona-Pandemie - Högl (SPD), 2021; BMVg, 2022).


An sich ist die Pandemie ein für sich geschlossener Handlungsstrang – dennoch hat die Pandemie große Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine muss diese Pandemie auch unter sicherheitspolitischen Aspekten betrachtet werden.


Die sicherheitspolitische Ausgangslage

Sicherheitspolitisch stellt sich die Lage für Deutschland vor allem in drei Handlungssträngen dar. Da wäre zum einen der NATO-Russland Komplex, die Energiesicherheit und nicht zuletzt die globalen Interpendenzen der derzeit herrschenden Weltwirtschaft.


Der NATO-Russland Komplex lässt sich vor allem an der Entwicklung seit 2014 gut ausmachen. So hat Russland mit seinem Hybriden Vorgehen zur Annexion der Krim nicht nur sicherheitspolitisch sondern vor allem völkerrechtlich Fragen aufgeworfen (Beer, 2020; Dansk Institut for Internationale Studier & Splidsboel Hansen, 2017). Die Reaktion der NATO ließ durch die Beschlüsse von Warschau und Wales nicht lange auf sich warten. In diesen Beschlüssen einigten sich die NATO-Partner auf eine Unterstützung der Baltischen Staaten im Rahmen von Übungen und Truppen-Rotationen (NATO, 2014, 2016, 2018, 2021b). Mit diesem Vorgehen und einer weitgehenden Kooperation im Hybriden Raum, die sich ebenfalls aus den Beschlüssen ergibt, wollte man die westlichen Staaten resilienter gegenüber hybriden Bedrohungen gestalten. Der Gipfel in Warschau ist ebenfalls die Geburtsstunde der 7 baseline requirements für Resilienz (Meyer-Minnemann, 2016).


Hinzu kommen die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine (Ukraine-Konflikt aktuell 2022 - Russland-Ukraine-Konflikt - Zusammenfassung und aktuelle Entwicklungen, 2022). Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine kann man nun das Lehrbuchartige Vorgehen Russlands entlang der Hybriden Kriegsführung nachvollziehen (Böckenförde & Gareis, 2021). Dabei kommt der Resilienz einer Bevölkerung und eines Staates ganz besondere Bedeutung zu.


Im Rahmen der Energiesicherheit betrachteten die Bundesregierungen der letzten 20 Jahre eine dramatische Entwicklung. So wurde der Klimawandel und die damit einhergehende Energiewende bereits frühzeitig zur Leitlinie von deutschem Regierungshandeln (Luczak, 2020; Trittin, 2009). Die daraus entstehenden Verbindungen zu Resilienz sind ebenfalls betrachtet und aufgearbeitet. So ist Energiesicherheit die wesentlichste Säule der Wirtschaftspolitik geworden und ein unverzichtbarer Baustein in der Resilienz der Bundesrepublik Deutschland (Forum für Zukunftsenergien, 2021). Im Kontext des Ukraine-Krieges betrachtet entwickelt sich dazu gerade ein Paradigmenwechsel. Dabei spielen vor allem die globalen Interpendenzen auf dem Energiemarkt und die Abhängigkeit Deutschlands von globalen Märkten (Butollo, 2020; Schneider, 2020) – insbesondere Energiemärkten. So ist die Abhängigkeit Deutschlands z.B. bei den Energieimporten seit 1990 von 46% bis 2020 auf knapp 64% gestiegen (Statistics | Eurostat, 2022). Dabei spielt vor allem die Abhängigkeit von russischem Gas eine große Rolle. Bereits 2014 wurde eine große Studie veröffentlicht, wo Deutschland für das Jahr 2012 38% aller russischen Erdöl-Exporte und 40% aller russischen Erdgasexporte aufnahm (Basedau & Schultze, 2014). Die derzeitige Situation mit einem immer bedrohlicher werdenden Konflikt mit Russland stellt die bisherige Energiepolitik in Frage.


In allen diesen sicherheitspolitischen Handlungssträngen ist die Resilienz ein bestimmender Faktor. So begreift die NATO beispielsweise Resilienz als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung – als militär-politisches Bündnis sicherlich unter den Harten Gesichtspunkten von Verteidigung. Dennoch ist eine Betrachtung der Pandemie-Strategie anhand der Resilienz-Definition der NATO vor allem Sicherheitspolitisch geboten. Resilienz ist auf allen Ebenen eine der größten Herausforderungen offener und pluralistischer Gesellschaften.


Resilienz und die 7 Baseline Requirements der NATO

Als Grundlage von Resilienz kann man zur Betrachtung sicherlich viele Definitionen heranziehen. Ich möchte mich in dieser Betrachtung auf die 7 Baseline Requirements der NATO als Betrachtungsmasstab konzentrieren.


Aus Sicht der NATO muss Resilienz nicht nur in einem militärischen Kontext betrachtet werden. Das Civil-Military Cooperation Centre for Excellence definiert Resilienz wie folgt: „Resilienz wird definiert als die Fähigkeit einer Gesellschaft, einem größeren Schock (z.B. einer Naturkatastrophe oder einem bewaffneten Angriff) zu widerstehen und sich leicht und schnell davon zu erholen. Resilienz ist eine Kombination aus ziviler Verteidigung und militärischer Kapazität.“ (Civil-Military Cooperation Centre for Excellence, 2019, Abs. 1). Diese Grundlage findet sich auch in den Ausführungen des Weißbuches der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 wieder und wird in allen Maßnahmen immer wieder als ein ziviler und militärischer Ansatz aufgeführt (Die Bundesregierung, 2016).


Darüber hinaus werden nicht nur die 7 Baseline Requirements definiert, sondern auch sogenannte Cross-Cutting Topics, die ich in dieser Betrachtung außen vor lasse.


Sicherlich ist der Resilienzbegriff im Sinne der NATO sehr militärisch gefasst – kann aber in den Oberbegriffen durchaus zu einer gewissen Clusterung und dadurch zielgerichteten Betrachtung führen.


Die 7 Baseline Requirements werden durch die NATO wie folgt definiert (NATO, 2021a):

  1. Kontinuität der Regierungsführung und wichtiger staatlicher Dienste: z. B. die Fähigkeit, in einer Krise Entscheidungen zu treffen, sie zu kommunizieren und durchzusetzen

  2. Sabile Energieversorgung: Backup-Pläne und Stromnetze, intern und grenzüberschreitend

  3. Mit unkontrollierten Personenbewegungen wirksam umzugehen und diese Bewegungen von den militärischen Einsätzen der NATO zu entkoppeln

  4. Widerstandsfähige Nahrungsmittel- und Wasservorräte: Gewährleistung der Sicherheit dieser Vorräte vor Unterbrechungen oder Sabotage

  5. Bewältigung von Massenausfällen: Sicherstellung, dass die zivilen Gesundheitssysteme damit umgehen können und dass ausreichende medizinische Vorräte vorhanden und gesichert sind

  6. Widerstandsfähige zivile Kommunikationssysteme: Sicherstellung, dass Telekommunikations- und Cybernetze auch unter Krisenbedingungen funktionieren und über ausreichende Reservekapazitäten verfügen

  7. Widerstandsfähige Verkehrssysteme: Es muss sichergestellt werden, dass sich die Streitkräfte schnell im Bündnisgebiet bewegen können und dass sich zivile Dienste auch in einer Krise auf die Verkehrsnetze verlassen können


No-Covid und Control-Covid

Bei einer umfassenden Betrachtung der Corona-Pandemie in Deutschland muss aus meiner Sicht als allererstes eingeordnet werden, wie die Corona-Pandemie sich darstellt und wie die Soziologie damit überhaupt umgehen kann.


So sieht vor allem Klaus Dörre in der Corona-Pandemie vornehmlich erst einmal eine medizinische Katastrophe. Er leitet weiter her, dass diese Pandemie sich mit anderen Faktoren zu einer Zangenkrise verbindet. In den Kontext einer Hyperglobalisierung gestellt und unter dem Eindruck von Weltwirtschaftskrise 2008 sowie der Entwicklung der Nachkrisenjahre entsteht dabei das Bild einer Gesellschaft, die weniger aus den bisherigen Krisen gelernt. Vielmehr entsteht die Gefahr harter Verteilungskämpfe, zunehmender Ungleichheit und Entsolidarisierung. Eine Wende zu mehr Nachhaltigkeit würde dadurch erschwert (Dörre, 2020).


In den Kontext einer soziologischen Krise gestellt entwickelt sich das Bild, dass die Corona-Pandemie keinerlei neues gesellschaftliches Zeitalter einleiten wird. Vielmehr greift die Gesellschaft wieder auf altbewährte Mechanismen zur Krisenbewältigung zurück, die vornehmlich kapitalistischer Natur sind und nur Bevölkerungsgruppen schützen. Eine Krise als Chance sei dadurch nicht sehr stark nachweisbar (Lessenich, 2020).


Hartmut Rosa betrachtet die Corona-Krise aus dem Blickwinkel der Pfadabhängigkeiten und Bifurkationspunkte. Er identifiziert hier vor allem eine besondere Rolle der Soziologie, die sich an besonderen Bifurkationspunkten, an denen eine weitere Entwicklung kaum absehbar ist, sich zwar zurückhalten könne, dies allerdings nicht dürfe, wenn sie als Wissenschaft – vor allem Krisenwissenschaft – agieren wolle (Rosa, 2020). Alle drei Autoren fordern eher eine aktive Deutung und Einmischung der Soziologie in die Corona-Pandemie als Krisen-Wissenschaft.


Control-Covid

Grundlage dieser Strategie ist der Ansatz, die Freiheitsrechte der Bevölkerung so wenig als möglich einzuschränken, gleichzeitig die Wirtschaft am Laufen zu halten und parallel eine Eindämmung der Pandemie in der eigenen Bevölkerung zu erreichen (RKI, 2021b).


Dies wird vor allem erreicht, indem das Ziel einer Grundimmunisierung aufgestellt wird. Alle Maßnahmen, die demnach in der aktualisierten Version des Infektionsschutzgesetzes Aufgefasst sind, sollen demnach die Bevölkerung vor allem schützen, die Belastung des Gesundheitssystems auf einem kontrollierbaren Level halten und gleichzeitig eine Durchseuchung und Impfung (also eine Grundimmunisierung) ermöglichen. Dabei gilt es auch z.B. die „Minimierung der Krankheitslast, Verfügbarkeit von ausreichend medizinischen Kapazitäten zur Versorgung der Bevölkerung, Reduktion der langfristigen durch LongCOVID verursachten Folgen sowie non-COVID-19 Effekte“ (RKI, 2021a) im Auge zu behalten.


Dafür wählt die Bundesregierung einen im Vergleich zu No-Covid moderaten Ansatz mit einer Mischung aus individuellen Isolationen, Kontaktnachverfolgung sowie dosierter Freiheitseinschränkungen wie z.B. Versammlungsverbote oder -Auflagen. Besonders die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen stehen und standen in der Vergangenheit immer auch im Fokus der öffentlichen Betrachtung (Schilling et al., 2021).


No-Covid

Als eine mögliche Gegenkonzeption wurde durch eine Gruppe von Wissenschaftlern eine sogenannte „No-Covid Strategie“ veröffentlicht. Sie stellt vor allem die proaktive Eindämmung der Pandemie und der Verbreitung in das Zentrum der Handlungsvorschläge.


Ziel ist es „Neuinfektionen, Todesfälle und weitere bundesweite Lockdowns zu vermeiden“ (Weerth, 2022). Dies soll vor allem durch ein „schnelles Absenken der Infektionszahlen auf null, die Vermeidung der Wiedereintragung in Grüne Zonen durch lokale Mobilitäts-Kontrollen, Tests und Quarantänen sowie ein rigoroses Ausbruchsmanagement bei sporadischem Auftreten neuer Fälle“ (Baumann et al., 2022) erreicht werden. Etliche Länder hatten einen ähnlichen Ansatz bereits durchgeführt und damit vor allem bei der Betrachtung von Resilienz langfristig großen Erfolg.


Die Vorteile seien laut des Rahmendokumentes eine besondere Proaktivität. Daraus entwickele sich ein geringerer psychologischer und wirtschaftlicher Druck auf die Bevölkerung. Als großes Ziel sieht die Konzeption die Wiederherstellung der bürgerlichen Freiheit. Andere Aspekte sind z.B. eine offene Haltung zu einem möglichen Ende der Pandemie (Baumann et al., 2022, S. 2).


Als zentrale Elemente der No-Covid Strategie sehen die Forschenden ein sogenanntes Grüne Zone-Modell, welches einen Lockdown bis zu einer Inzidenz von 10 vorsieht, sowie eine weitere Reduktion auf null, Beratung für die Umsetzung durch erfahrene Länder wie Australien und Neuseeland, eine klare Übertragbarkeit auf Deutschland/Europa sowie einen Erhalt der Grünen Zonen mit Massentestungen, langsamen Öffnungen lokale und begrenzte Maßnahmeneinführung und die Einbindung der Bevölkerung. Für ein solches Vorgehen sind durchaus strenge Ansätze notwendig, die schnell zu erfolgen führen und dann auch wieder schnell abgebaut werden können (Baumann et al., 2022, S. 3).


Vergleich

Im Vergleich muss gesagt werden, dass No-Covid von schnellen, harten, lokalen Lockdowns ausgeht um die Pandemie vor allem Lokal einzudämmen und ein Höchstmaß an lokaler, bürgerlicher Freiheit zulassen will und somit eine radikale Verdrängung des Virus als Mechanismus nutzen will (Baumann et al., 2022, S. 1). Das dieses Vorgehen zu unterschiedlichen Resultaten führen kann sieht man an Beispielen aus Australien oder Neuseeland (Ratzow, 2021). Hinzu kommt der Faktor der Resilienz kritischer Infrastrukturen, die bei einem vollständigen und harten Lockdown personell ebenfalls betroffen wäre (Gjorv, 2020).


Wohingegen die Control Covid Strategie einen Mittelweg zwischen Lockdowns, Öffnungsvorgaben und Ausnahmen beschreitet (RKI, 2021b, S. 1). Dadurch wird der Wirtschaft, der Gesellschaft und zum Beispiel kritischen Infrastrukturen durchaus Rechnung getragen aber die Pandemiebekämpfung in die Länge gezogen (Obst & Schläger, 2021).


Wie wirken die unterschiedlichen Strategien auf die 7 Baseline Requirements

Nunmehr einen Ansatzpunkt zu finden, wie No-Covid als Bewältigungsstrategie wirken könne, ließe sich vor allem an gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen unterschiedlicher Strategien beziffern. Hier rücke ich nun vor allem Deutschland ins Zentrum meiner Betrachtung. Darüber hinaus stelle ich die Auswirkungen auf die Gesellschaft anhand der 7 Baseline Requirements dar.

Tabelle 1 - 7 Baseline Requirements, Control-Covid und No-Covid abgegrenzt

Conclusio

Aus den Baseline Requirements hergeleitet und im Vergleich mit Australien betrachtet kann für Deutschland über die letzten 3 Jahre hinweg beobachtet werden, dass die Control-Covid Strategie des Robert-Koch-Instituts zum Teil unwirksam war aber dennoch eine Funktionssicherheit in allen Bereichen kritischer Infrastrukturen durch Ausnahmen erreichte. Dies kann Australien zeitweise nicht sicherstellen.


Auf die Gesellschaft hatte die Pandemie ebenfalls Auswirkungen. So wirkte die Pandemie in Deutschland durchaus auf die sozialen Lebenslagen der Menschen, auf die Erwerbstätigen (Hövermann, 2020) und auf die Privathaushalte (Bonin et al., 2021). Die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft, den Handel sowie die Produktionsmechanismen werden ebenfalls als enorm betrachtet (Butollo, 2020).


Zusammenfassend lässt sich demnach konstatieren, dass No-Covid zwar ein anderes Konzept für die Eindämmung der Corona-Pandemie darstellt, jedoch im Vergleich zu Control-Covid Schwächen im Bereich kritischer Infrastruktur hat. Zudem lassen sich wirtschaftliche und soziale Nachteile erwarten. Gemessen an soziologischen Kriterien kann die Corona-Pandemie, wie bereits von Rosa, Dörre und Lessenich hergeleitet. (Dörre, 2020; Lessenich, 2020; Rosa, 2020), betrachtet werden. Alle drei haben einen unterschiedlichen Ansatzpunkt – dennoch betrachten sie aus meiner Sicht alle drei dasselbe Problem: Corona wirkt auf die Gesellschaft aus unterschiedlichen Gründen und von unterschiedlichen Seiten. Die Soziologie als Krisenwissenschaft kann und sollte hier – auch meiner Meinung nach – Lösungswege aufzeigen und betrachten. Zumal ein allzu „technischer“ Ansatz von Lösungsstrategien zuweilen einer gesamtgesellschaftlich wirksamen Bekämpfung einer solchen Lage entgegensteht.


Die Wirkung von staatlichem Handeln während dieser Pandemie hatte eine große Auswirkung auf unsere Gesellschaft – fraglich bleibt, ob dies mit einer No-Covid-Strategie anders geworden wäre. Für eine Reine Betrachtung der Auswirkungen auf die 7 Baseline Requirements war Control-Covid meiner Betrachtung nach der bessere Weg.


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