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  • AutorenbildJan Hesselbarth

100 Mrd. Euro, der Bundestag und Resilienz

Aktualisiert: 9. Aug. 2023

Die Bundesregierung der Ampel-Parteien und die größte Oppositionsfraktion (CDU/CSU) haben sich in den Abendstunden des 29.05.2022 auf den Modus der Verwendung des Sondervermögens Bundeswehr geeinigt. Dabei wurde festgelegt, wie die Ankündigungen der Zeitenwende in der Regierungserklärung tatsächlich in die Wirklichkeit überführt werden sollen. Nun gilt es, dieses Budget “mit Leben zu füllen”. Wir schlagen hierbei einen neuen Betrachtungsweg vor, der sich auf die Resilienz konzentriert. Die Abstimmung mit der Opposition war nötig, da das Sondervermögen nicht Teil des Bundeshaushalts und des Einzelplan 14 werden soll, sondern ergänzend im Grundgesetz verankert werden wird.


Da das Sondervermögen im Kern neue Schulden sind, soll die Tilgung zwar aus dem Bundeshaushalt erfolgen. Die Existenz des Sondervermögens neben dem normalen Budget bringt allerdings auch Vorteile mit sich. Überschüsse aus dem Einzelplan 14, die nicht im Budget des Ministeriums für Verteidigung für laufende Kosten oder Investitionen umgesetzt werden können, müssen in den Bundeshaushalt rückgebucht werden. Dieser Modus entfiele für ein Sondervermögen Bundeswehr. Gleichzeitig sind in den Formulierungshilfen zur Änderung des Grundgesetzes Art. 87 (A) und für das “Gesetz zur Finanzierung der Bundeswehr und Errichtung eines “Sondervermögens Bundeswehr”” Verquickungen mit dem Einzelplan 14 offenkundig.

Einzelplan 14

Die Rede des Bundeskanzlers war ursprünglich im In- und Ausland so verstanden worden, das die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch regelhafte Erreichung des 2%-Ziels der NATO-Mitgliedstaaten und Errichtung eines Sondervermögens zur schnellen Bereinigung der Ausrüstungs- und Fähigkeitslücken in der Bundeswehr bewältigt werden sollte. Dies ist nach den politischen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition nicht mehr der Fall. Im aktuellen Entwurf ist vielmehr vorgesehen, dass das Sondervermögen auch zur Aufstockung des Bundeswehr-Budgets hin zum 2%-Ziel genutzt wird. Erst nach Aufbrauchen des Sondervermögens (voraussichtlich nach vier Jahren) soll das 2%-Ziel gänzlich aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.


Das bedeutet, dass die “Aufrüstung” der Bundeswehr nicht zu Lasten des aktuellen Bundeshaushaltes erfolgen wird - “abgesehen” von der Belastung der Tilgung, was den Spielraum für zukünftige Regierungen mindern wird. Dies war ein erklärtes Ziel der SPD. Andererseits konnte die CDU/CSU ihre Kernforderung der ausschließlichen Verfügbarkeit des Sondervermögens für die Bundeswehr ebenfalls durchsetzen, sodass bereits existente oder zu schaffende Maßnahmen für Bundes-Cybersicherheit, Zivilschutz sowie zur Ertüchtigung und Stabilisierung von Partnern über den Bundeshaushalt finanziert werden müssen.


Der Krieg in der Ukraine führt zu einem Umdenken, wenn auch nicht in der ursprünglich erhofften Intensität. Dieses Umdenken ist dringend nötig. Und wenn wir wirklich ehrlich sind, dann wussten wir all die Dinge, die jetzt wieder aktuell werden, auch schon vor dem Krieg. Der Krieg in der Ukraine hat lediglich die Lage akut verschärft und, gleich einem Weckruf, den Handlungsbedarf schmerzlich offengelegt.


Aus unserer Sicht müssen sich die westlichen Gesellschaften dringend Gedanken über umfassende Resilienz mit diversen Aspekten machen. Das gilt dabei insbesondere für die deutsche Gesellschaft. Viel zu lange haben wir in der Lethargie der Friedensdividende gelebt und ihre Erträge genossen. Nun ist es an der Zeit, diese Lethargie zu verlassen und den Handlungsdruck, der durch all die Jahre des Unterlassens entstanden ist, als Impuls anzunehmen.

Resilienz

Aus unserer Wahrnehmung bildet dabei die Bundeswehr lediglich EINEN Aspekt unter vielen im Rahmen einer vernünftigen Sicherheitspolitik. Vielmehr sehen wir Resilienz als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die innerhalb der Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen ganz maßgeblich aufgebaut werden muss. Darüber hinaus ist Resilienz als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung zu verstehen. Darunter fallen vor allem auch zivile Infrastrukturen, gesellschaftliche Faktoren und unsere Verwaltung.


Nimmt man die 7 baseline requirements der NATO als ein mögliches Handlungsraster, so fällt schnell auf, dass es hierbei nur am Rande um Panzer sondern viel mehr um gesamtgesellschaftliche Herausforderungen geht. Nichtsdestotrotz benötigt die Bundeswehr schnellstmöglich die Panzer, Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe, um in Vollausrüstung ihren Teil der Herausforderungen bewältigen zu können. Wir plädieren dafür, dass Ausrüstung mit Großgerät als Baustein im Gesamtkontext zu sehen ist.

7 Baseline Requirements der NATO

Das bedeutet, dass die Streitkräfte sich selbst kritisch betrachten, schnellstmöglich für Vollausrüstung sorgen und gleichzeitig auch die eigenen Strukturen auf Resilienz hin überprüfen. Es gilt innere Resilienz zu schaffen, um der gesellschaftliche Aufgabe gerecht werden zu können. Dabei bekommt eine zivil-militärische Zusammenarbeit abseits von Regelprozessen des sogenannten “Dachlatten-CIMIC” (wo im Grunde durch das tatsächliche Liefern und/oder Verbauen von z.B. Dachlatten Zivil-Militärisch zusammen gearbeitet wurde) eine besondere Bedeutung zu. Es reicht nicht mehr, in den üblichen Rahmen zu denken. Outside-the-box Denken muss zu outside-the-wire Agieren werden! Und das auch und gerade in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext.


Im 1. Deutsch-Niederländischen Korps kann diese Bestrebung hin zu einem breiteren auf Resilienz ausgerichteten Sicherheitsverständnis dieser Tage live verfolgt werden. In der Auftaktveranstaltung der Trainings- und Übungsreihe Common Effort 2022 fanden sich Anfang dieser Woche Akteure und Stakeholder rund um den Komplex der Resilienz in Münster in Präsenz und abgestützt auf digitale Medien zusammen, um neben einem gemeinsamen Verständnis von Resilienz auch die möglichen gegenseitigen Anforderungen und Unterstützungspotentiale zu finden.


Auf dieses Projekt unter dem Namen “Common Effort” wollen wir in den nächsten Wochen noch einmal genauer eingehen, um auch die Komplexität dieses Vorhabens richtig einordnen zu können.


Aus unserer Sicht sind demnach folgende Punkte wichtig:

  1. Ausrichtung der gesamtstaatlichen Bestrebungen auf Resilienz als Ankerpunkt gesamtgesellschaftlichen Handelns.

  2. Vollausrüstung der Bundeswehr schnellstmöglich, sowie kontinuierliche Anpassung des Aufgabenspektrums und des Ausrüstungsbedarfs im Kontext der gesamtstaatlichen Resilienz

  3. Betrachtung von Resilienz ohne Denkverbote hinsichtlich Risiken/Gefahren und Handlungsoptionen

  4. Eine gemeinsame und vor allem selbst bestimmte Sicherheitspolitik in Europa, um den eigenen Interessen wieder Vorschub zu leisten.

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